Untersuchungen zum thermischen Recycling von Fraktionen aus dem Deponierückbau
- Investigations of the thermal recycling of fractions from landfill reclamation
Rotheut, Martin; Quicker, Peter (Thesis advisor); Flamme, Sabine (Thesis advisor)
Düren : Shaker Verlag (2022)
Buch, Doktorarbeit
In: Schriftenreihe zur Aufbereitung und Veredlung 81
Seite(n)/Artikel-Nr.: 261 Seiten : Illustrationen, Diagramme
Dissertation, RWTH Aachen University, 2022
Kurzfassung
Aus der ansteigenden Rohstoffnachfrage und den begrenzten primären Ressourcen ergibt sich für die Rückgewinnung von Ressourcen aus Siedlungsabfalldeponien eine immer höhere Relevanz. Zukünftig können auch das Auftreten von Umweltgefahren, die Rückgewinnung von Flächen und Deponievolumen sowie die Reduzierung von Nachsorgekosten einen Rückbau von Siedlungsabfalldeponien erfordern. Um eine weitgehende Rückgewinnung von Ressourcen beim Deponierückbau zu erzielen, ist sowohl die Anwendung mechanischer als auch thermischer Schritte zur Behandlung des Aushubmaterials erforderlich. In dieser Arbeit war die Kernfrage zu klären, ob zur Realisierung eines "Enhanced Landfill Mining" (ELFM) ein thermisches Recycling deponiestämmiger, heizwertreicher Fraktionen in konventionellen, dem aktuellen Stand der Technik entsprechenden Verwertungsanlagen möglich und praktikabel ist. Hierzu wurde eine Lösungsstrategie entwickelt, welche eine Kombination von theoretisch-rechnerischen Untersuchungen und darauf aufbauenden experimentellen Untersuchungen umfasste. Die Literaturstudie ergab, dass national wie international bereits einige Untersuchungen zur Zusammensetzung von Aushubmaterial aus Siedlungsabfalldeponien durchgeführt wurden, jedoch nur wenige Erkenntnisse über die Brennstoffeigenschaften derartiger Materialien vorliegen. Der Stand des Wissens zum Einsatz von Fraktionen aus Siedlungsabfalldeponien in konventionellen Anlagen zur energetischen Verwertung beschränkt sich auf wenige, bereits mehrere Jahrzehnte zurückliegende Untersuchungen. Auf Basis der Erkenntnisse aus der Literaturstudie wurden unaufbereitetes Aushubmaterial, grobkörnige EBS geringer Aufbereitungstiefe, verschiedene feinkörnige EBS hoher Aufbereitungstiefe und eine Holzfraktion für die Durchführung der experimentellen Untersuchungen ausgewählt. Aus der Siedlungsabfalldeponie Pohlsche Heide in Hille wurde Material unterschiedlicher Ablagerungszeiträume in drei Aushubkampagnen gewonnen. Die ausgewählten Fraktionen wurden in verschiedenen mechanischen Behandlungsanlagen aus dem Aushubmaterial hergestellt. Unter Berücksichtigung der Inhomogenität der zu untersuchenden Fraktionen wurde ein geeignetes Probenahme- und Analytikkonzept zur Eduktcharakterisierung entwickelt. Die nachfolgende Eduktcharakterisierung hat mehrheitlich problematische Brennstoffeigenschaften ergeben. Die Brennstoffeigenschaften der grobkörnigen EBS-Fraktionen führten zu einer Einschränkung der Einsatzmöglichkeiten in EBS-Kraftwerken. Auch ein Einsatz der weitgehend aufbereiteten EBS-Fraktionen in Zement- und Kraftwerken wurde durch deren Eigenschaften eingeschränkt. Die Verwertungsmöglichkeiten des untersuchten Leichtgutes wurden durch dessen hohen Chlorgehalt eingeschränkt. Mit den ermittelten Brennstoffparametern wurde eine Verbrennungsrechnung durchgeführt und erste Erkenntnisse über die Abgaszusammensetzung gewonnen. Auf Basis der Ergebnisse der Eduktcharakterisierung sowie der Verbrennungsrechnung wurden Verbrennungsversuche im Technikums- und im Großmaßstab geplant. Zur Bewertung der Verbrennungsprodukte aus den Versuchen wurde ein Probennahme- und Analytikkonzept entwickelt. Die Technikumsversuche in drei konzeptionell unterschiedlichen Feuerungen (Rost-, Wirbel- und Muldenfeuerung) haben bestätigt, dass die EBS-, Mischkunststoff- und Flufffraktionen problematische Brennstoffeigenschaften aufwiesen. Das eingesetzte Leichtgut sowie die Altholzfraktion haben sich als vergleichsweise homogene Brennstoffe erwiesen. Die großtechnische Versuchsverbrennung der grobkörnigen EBS wurde in einer MVA, einem konventionellen EBS-Kraftwerk mit Rostfeuerung sowie einem Energos EBS-Kraftwerk durchgeführt. In der MVA wurde zudem versuchsweise auch Rohdeponat eingesetzt. Der Einsatz der feinkörnigen Flufffraktion erfolgte in einem Zementwerk mit Drehrohrofen. Die Monoverbrennung des EBS hat sowohl in der MVA als auch im Energos EBS-Kraftwerk zu Betriebsproblemen geführt, wie beispielsweise Schwankungen der Dampfproduktion und Blockaden im Bereich der Brennstoffzufuhr. Bei den Versuchen mit grobkörnigen EBS wurden zudem signifikante Anstiege der Konzentration von SO2 und HCl im Rohgas sowie zum Teil stark erhöhte Additivverbräuche festgestellt. Die Monoverbrennung im Energos EBS-Kraftwerk konnte nicht über einen längeren Zeitraum realisiert werden. Eine weitergehend behandelte EBS-Charge konnte hingegen über einen Zeitraum von 14 Tagen erfolgreich verbrannt werden. Der Einsatz von unvorbehandeltem Aushubmaterial in der MVA hat trotz Zumischung von Frischmüll im Verhältnis 1:3 zu einem Zusammenbruch der stabilen Verbrennung geführt. Bei der Versuchsverbrennung der umfangreich aufbereiteten Flufffraktion im Zementwerk kam es zu Blockaden der Brennstoffzufuhr sowie Ansatzbildung im Wärmetauscherturm. In der Produktcharakterisierung wurden in den Schlacken aus der EBS-Verbrennung auffällig hohe Fe- und NE-Metallanteile auf dem Niveau gewöhnlicher MVA-Schlacken festgestellt. Die Qualität des Ausbrandes war versuchsübergreifend hoch. Die untersuchten Gehalte an Spurenelementen in der Schlacke hielten überwiegend die Zuordnungswerte nach LAGA M20 Kategorie Z2 ein. Ein negativer Einfluss des Materialeinsatzes auf die Qualität der sonstigen Verbrennungsprodukte wurde nicht festgestellt. Der Einsatz der Flufffraktion im Zementwerk hatte keinen negativen Einfluss auf die Qualität des Klinkers, jedoch wurden die Obergrenzen der Cl-Gehalte im Bypass-Staub und im Heißmehl überschritten. Aus den experimentellen Untersuchungen wurde geschlussfolgert, dass ein direkter Einsatz von unvorbehandeltem Aushubmaterial nicht zu empfehlen ist. Eine gezielte und effektive mechanische Aufbereitung des Aushubmaterials wurde als grundlegend für den Materialeinsatz in Anlagen zur energetischen Verwertung bewertet. Durch die Übertragung der Ergebnisse auf großtechnische Anwendungen wurden die aus dem Einsatz deponiestämmiger Brennstoffe resultierenden Neuanforderungen an Anlagen zur energetischen Verwertung definiert. Hierzu wurden geeignete technische und operative Lösungsvorschläge erarbeitet. Die Gesamtbewertung ergab, dass MVA und EBS-Kraftwerke mit Rostfeuerung - bei Berücksichtigung der erarbeiteten Lösungsvorschläge - zur Verwertung grob aufbereiteter, deponiestämmiger EBS herangezogen werden können. Durch die EBS- und Schlackeaufbereitung kann ein Großteil des Metallinventars zurückgewonnen werden. Auch der Einsatz von EBS-Fraktionen hoher Aufbereitungstiefe in dafür geeigneten Zementwerken stellt eine Verwertungsoption dar. Das thermische Recycling von deponiestämmigen EBS-Fraktionen in den vorgenannten Anlagen stellt somit einen wichtigen Baustein zur Realisierung eines ELFM dar. Weiterer Forschungsbedarf besteht in der Untersuchung der Langzeitauswirkungen des Materialeinsatzes auf die Anlagentechnik von Verwertungsanlagen.
Einrichtungen
- Fachgruppe für Rohstoffe und Entsorgungstechnik [510000]
- Lehr- und Forschungsgebiet Technologie der Energierohstoffe [512220]
Identifikationsnummern
- ISBN: 978-3-8440-8584-6
- RWTH PUBLICATIONS: RWTH-2022-05072