Einfluss von Kalt- und Warmumformprozessen auf die lokalen Korrosionsmechanismen von Al-Mg-Si-Cu-Legierungen
- Influence of cold and hot rolling processes on the localized corrosion mechanisms of Al-Mg-Si-Cu alloys
Müller-Jena, Roland; Zander, Brita Daniela (Thesis advisor); Springer, Hauke Joachim (Thesis advisor)
Düren : Shaker Verlag (2022)
Buch, Doktorarbeit
In: Schriftenreihe des Lehrstuhls für Korrosion und Korrosionsschutz 4
Seite(n)/Artikel-Nr.: xx, 217 Seiten : Illustrationen, Diagramme
Dissertation, RWTH Aachen University, 2022
Kurzfassung
Aluminiumknetlegierungen der 6xxx Serie (AlMgSiCu) stellen aufgrund ihrer vorteilhaften Kombination aus mechanischen, Umform- und Korrosionseigenschaften eine der wichtigsten Legierungen in der Automobilindustrie dar. Ihre Anfälligkeit für interkristalline Korrosion (IK) limitiert jedoch ihre Anwendung aufgrund sicherheitstechnischer Aspekte. Während der Einfluss des Kupfergehaltes sowie des Wärmebehandlungszustandes auf die lokale Korrosion bereits umfänglich erforscht sind, ist der Einfluss von Umformprozessen noch nicht verstanden. Aktuelle Erklärungsansätze für den Einfluss von prozessinduzierten Verformungen sind entweder widersprüchlich, spezifisch für die jeweilige Legierung oder Herstellungsroute oder können die beobachteten Effekte nicht erklären, was zu einer Vielzahl von einzelnen und nicht korrelierbarer Modellvorstellungen führt. Die Aufklärung des Einflusses von Verformungen auf die lokale Korrosion ist dabei jedoch höchst relevant, da 6xxx-Legierungen meist durch komplexe und je nach Anwendung teilweise stark unterschiedliche Umformungsprozessen wie bspw. Schmieden, Strangpressen oder Walzen hergestellt werden. Legierungsgleiche Bauteile mit unterschiedlichen Prozessrouten können so signifikant unterschiedliche und mit dem aktuellen Stand der Literatur nicht erklär- oder vorhersagbare Korrosionsmechanismen und -anfälligkeiten aufweisen. Ziel der vorliegenden Arbeit ist deswegen eine detaillierte Mechanismenanalyse des Einflusses von prozesstechnischen Verformungen auf die Mikrostruktur und die lokalen Korrosionsmechanismen. Die Arbeit gliedert sich in zwei Schwerpunkte: Basierend auf der dargestellten Literatur wurde der Effekt einer schrittweisen Kaltumformung von 5 60 % der Blechlegierungen EN AW 6082, 6010 und 6110A mit zunehmendem Kupfergehalt analysiert. Des Weiteren wurde der Einfluss der Warmumformungsverfahren Schmieden und Strangpressen auf die lokale Korrosion anhand einer EN AW 6082- und 6110A-Legierung mit steigendem Kupfergehalt entwickelt und analysiert. Die Verformung beeinflusste die lokalen Korrosionsmechanismen umfassend. Die Kaltumformung mittels Walzen resultierte in einer Reduktion der Größe und Kontinuität der Korngrenzenphasen bei gleichzeitig weniger stark ausgeprägten Cu Verarmungssäumen. Die dabei vergröberten Matrixphasen führten zu einem Mechanismenwechsel von IK zu lochförmigen Matrixauflösungen und reduzierten die Eindringtiefe um bis zu 80 % für geringe Umformungen. Mit zunehmendem Umformungsgrad nahmen die Eindringtiefen aufgrund der Vergröberung der Matrixphasen um bis zu 290 % zu. Der Effekt konnte auf die Fixation (engl. Pinning) der Elemente an Versetzungen und Matrixphasen und eine veränderte Phasenbildung an Versetzungen zurückgeführt werden. In den geschmiedeten und gering verformten Legierungen (5 %) kam es zur Ausbildung von $Al_{v}Fe_{w}(Mn_{x},Cr_{y}),Si_{z}$- und $Mg_{2}Si$-Phasen sowie Verarmungszonen an der Korngrenze, welche zu einer Sensibilisierung der Korngrenzen gegenüber lokaler Korrosion führten. Mit zunehmender Verformung (50 %) wurden diese kathodischen $Al_{v}Fe_{w}(Mn_{x},Cr_{y})Si_{z}$-Phasen zeilig in der Matrix ausgerichtet. Diese Anordnung führte zu verstärkter Matrixauflösung und lochförmigen Korrosionserscheinungen. Diese wiederum führte zu einer Erhöhung der Korrosionseindringtiefe um bis zu 250 % im Vergleich zum unverformten Zustand. Die Lochkorrosion wurde dabei vermutlich durch den erhöhten Grain orientation spread (GOS) verstärkt. Die stranggepressten Legierungen zeigten hingegen durch den hohen Umformungsgrad von 90 % die Ausbildung eines feinen, dicht belegten Subkornnetzwerks, an welchem selektive Korrosion, insbesondere in Nähe der ebenfalls vorhandenen kathodischen und zeiligen $Al_{v}Fe_{w}(Mn_{x},Cr_{y})Si_{z}$-Phasen, initiiert wurde. In den kupferarmen Legierungen dominierten die $Al_{v}Fe_{w}(Mn_{x},Cr_{y})Si_{z}$-Phasen, welche zur Ausbildung von in Verformungsrichtung ausgerichteten lochförmigen Korrosionserscheinungen führten. Je nach Ausrichtung dieser Phasen in die Breite bzw. Tiefe kam es zu Unterschieden in der Eindringtiefe von 255 %. In den kupferhaltigen Legierungen EN AW 6110A dominierte die interkristalline Korrosion durch die Ausbildung der Q Phase an den so sensibilisierten Subkörnern, welche zu einem interkristallin korrodierten Subkornnetzwerk mit geringer Matrixauflösung führte. Dieser Mechanismenwechsel von Lochkorrosion durch zeilig angeordnete $Al_{v}Fe_{w}(Mn_{x},Cr_{y})Si_{z}$-Strukturen zu interkristalliner Korrosion durch die Ausbildung von Q-Phasen an Subkorngrenzen mit steigendem Kupfergehalt reduzierte die Eindringtiefe untypischerweise um 35 % im Vergleich zum kupferarmen Zustand. Die zusammenfassende Diskussion der dargestellten Korrosionsmechanismen ermöglichte die Entwicklung eines allgemeingültigen Mechanismenverständnisses, welches die mechanistischen Modellvorstellungen in der Literatur zusätzlich um den mechanistischen Aspekt der Sensibilisierung von Subkorngrenzen und Verarmung an Verformungsstrukturen erweitert und miteinander in Zusammenhang bringt.
Einrichtungen
- Fachgruppe für Materialwissenschaft und Werkstofftechnik [520000]
- Lehrstuhl für Korrosion und Korrosionsschutz [522710]
Identifikationsnummern
- ISBN: 978-3-8440-8855-7
- RWTH PUBLICATIONS: RWTH-2023-00147