Cross-scale analysis of the Bauschinger effect in single crystals, polycrystals and multiphase materials

  • Skalenübergreifende Analyse des Bauschinger-Effektes in Einkristallen, Polykristallen und Mehrphasenwerkstoffen

Kreins, Marion Cornelia; Krupp, Ulrich (Thesis advisor); Seifert, Thomas (Thesis advisor)

Aachen : RWTH Aachen University (2022, 2023)
Doktorarbeit

Dissertation, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, 2022, Kumulative Dissertation

Kurzfassung

Das zyklische Plastizitätsverhalten metallischer Werkstoffe ist für die Auslegung und Lebensdauerberechnung industrieller Komponenten sowie die simulative Modellierung des Werkstoffverhaltens unter komplexen Lastzuständen von großem Interesse. Eine zentrale Bedeutung entfällt dabei auf den Bauschinger Effekt, welcher einen Festigkeitsverlust metallischer Werkstoffe unter Lastumkehr beschreibt. Der Bauschinger Effekt wird auf verschiedene mikrostrukturelle Ursachen zurückgeführt und durch diverse materialspezifische Faktoren sowie experimentelle Randbedingungen beeinflusst. Zahlreiche Einflussfaktoren wurden bereits umfassend quantifiziert und phänomenologisch erklärt, wobei meist ein spezifischer Werkstoff und ausgewählte Einflussfaktoren im Fokus stehen. Die Zusammenhänge zwischen dem Bauschinger Effekt in Einkristallen, einphasigen Polykristallen und Mehrphasenwerkstoffen wurden bisher jedoch nicht systematisch untersucht. Zudem ist nicht bekannt, ob und wie sich der Einfluss einzelner Parameter, wie beispielsweise Ausscheidungen, in den verschiedenen Mikrostrukturen unterscheidet. Vor diesem Hintergrund wurde im Rahmen dieser Arbeit der Bauschinger Effekt in i) Einkristallen der Ni-Basis Superlegierung 718, ii) chemisch identischen Alloy 718 Polykristallen und iii) dem zweiphasigen Duplex-Stahl 1.4462 analysiert. Ein besonderer Fokus lag auf dem Einfluss nanoskalierter Ausscheidungen, welcher anhand der γ‘‘ Ausscheidungen im Alloy 718 und der α‘ Ausscheidungen im Duplex-Stahl untersucht wurde. Der Bauschinger Effekt wurde durch diverse Untersuchungsmethoden auf unterschiedlichen Größenskalen quantifiziert. Zyklische Mikro-Biegeversuche und Mikro-Indenterversuche an Alloy 718 Einkristallen mit unterschiedlicher Kristallorientierung ermöglichen die Ermittlung gleitsystembezogener Werkstoffkennwerte und die Untersuchung des Bauschinger Effektes in Abhängigkeit der aktivierten Gleitsysteme. Der Zusammenhang zwischen der Einkristall- und Polykristallplastizität wurde anhand von makroskopischen Zug-Druck Versuchen untersucht. Die Auswertung von Versetzungsgleitlinien sowie der Versetzungsdichte ermöglichen die Analyse der lokalen Plastizitätseigenschaften zu verschiedenen Lastzuständen während des Zug-Druck Versuchs. Die experimentellen Analysen haben gezeigt, dass der Bauschinger Effekt in ausscheidungsfreien Einkristallen nur schwach ausgeprägt ist und maßgeblich aus lokalen Versetzungsaktivitäten resultiert. Das Plastizitätsverhalten ist charakterisiert durch überwiegend planares Versetzungsgleiten, Versetzungsannihilation sowie die Bildung und Auflösung von Versetzungsaufstauungen vor Hindernissen. Nanoskalierte γ’’ Ausscheidungen erhöhen die Versetzungsinteraktion und führen zur Aktivierung zusätzlicher Gleitsysteme. Planares Versetzungsgleiten wird zunehmend erschwert und es kommt zur Ausbildung von Versetzungsstrukturen mit lokalen Gradienten der Versetzungsdichte. Diese haben langweitreichende Rückspannungen zur Folge, welche zu einer Zunahme des Bauschinger Effektes mit steigendem Ausscheidungsgehalt führen. Der Bauschinger Effekt im lösungsgeglühten Alloy 718 Polykristall ist stärker ausgeprägt als im Einkristall, allerdings ist eine Abnahme des Bauschinger Effektes mit steigendem γ’’ Ausscheidungsgehalt zu beobachten. Von besonderer Bedeutung sind Rückspannungen an Korngrenzen, welche aus der Verformungsinkompatibilität benachbarter Körner mit unterschiedlicher Kristallorientierung resultieren. Die experimentellen Ergebnisse legen nahe, dass γ’’ Ausscheidungen die Orientierungsabhängigkeit der elastisch-plastischen Eigenschaften im kubisch-flächenzentrierten Kristallgitter reduzieren und so zu einer Abnahme der Rückspannungen an den Korngrenzen führen. Der Duplex Stahl 1.4462 weist durch die verschiedenen elastisch-plastischen Eigenschaften von Ferrit und Austenit eine besonders ausgeprägte Verformungsinkompatibilität an den Phasengrenzen auf, welche einen stark ausgeprägten Bauschinger Effekt zur Folge hat. Nanoskalierte α’ Ausscheidungen in Folge einer spinodalen Entmischung des Ferrits (475°C Versprödung) erhöhen den Bauschinger Effekt durch eine Verstärkung des Phasenunterschiedes, wie anhand von zyklischen Mikro-Indentierungen in einzelnen austenitischen und ferritischen Körnern nachgewiesen werden konnte. Zusammenfassend haben die experimentellen Untersuchungen gezeigt, dass die verschiedenen Einflussfaktoren auf den Bauschinger Effekt in einem komplexen Abhängigkeitsverhältnis stehen. Die Wirkung einzelner Faktoren, wie beispielsweise nanoskalierter Ausscheidungen, kann daher nicht isoliert quantifiziert werden. Vielmehr müssen die verschiedenen Einflussfaktoren auf den Bauschinger Effekt stets im Kontext der vorherrschenden Mikrostruktur sowie experimenteller Randbedingungen analysiert werden. Die durchgeführten Analysen tragen zum Verständnis dieser Mikrostruktur-Eigenschafts-Korrelationen bei und leisten damit einen Beitrag für die zielgerichtete Auslegung und simulative Beschreibung industrieller Komponente unter zyklischer Belastung.

Einrichtungen

  • Fachgruppe für Materialwissenschaft und Werkstofftechnik [520000]
  • Lehrstuhl für Werkstofftechnik der Metalle und Institut für Eisenhüttenkunde [522110]