Influence of point defects on the elastic properties and phase stability of cubic binary and ternary transition metal (aluminum) nitride thin films
Karimi Aghda, Soheil; Schneider, Jochen M. (Thesis advisor); Anders, Andre (Thesis advisor)
Aachen : RWTH Aachen University (2023)
Buch, Doktorarbeit
In: Materials chemistry dissertation 41
Seite(n)/Artikel-Nr.: 1 Online-Ressource : Illustrationen, Diagramme
Dissertation, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, 2023
Kurzfassung
Im ersten Teil dieser Arbeit wird ein korrelatives experimentelles und theoretisches Modell entwickelt, um den Einfluss der kinetischen Ionenenergie auf die Bildung der Punktdefektstruktur in metastabilem kubischem (V,Al)N zu untersuchen. Dazu wird die Ionenbeschuss-induzierte Veränderung in der Struktur und den mechanischen Eigenschaften von (V,Al)N-Dünnschichten analysiert und die kinetische Ionenenergie (E_k) wird beim reaktiven Hochleistungs-Impuls-Magnetronsputtern (HPPMS) systematisch zwischen 4 und 154 eV variiert. Mit zunehmendem E_k verdichtet sich die Schicht und entwickelt sich von einer porösen (111)-orientierten Struktur bei E_k ≤ 24 eV zu einer feinkörnigen Struktur mit einer bevorzugten (100)-Orientierung bei E_k ≥ 104 eV. Darüber hinaus steigt die intrinsische Druckspannung um 336% auf 4,8 GPa, wenn E_k von 4 auf 104 eV erhöht wird. Eine weitere Erhöhung der kinetischen Ionenenergie bewirkt hingegen eine Spannungsrelaxation auf 2,7 GPa bei 154 eV. Diese durch den Ionenbeschuss hervorgerufene Veränderung im Spannungszustand der Dünnschicht stimmt gut mit Simulationen der Dichtefunktionaltheorie (DFT) überein. Darüber hinaus zeigen die gemessenen Werte des Elastizitätsmoduls der (V,Al)N-Dünnschichten keine signifikante Abhängigkeit von E_k. Die scheinbare Unabhängigkeit des Elastizitätsmoduls von E_k lässt sich erklären, wenn man die gleichzeitig ablaufenden und sich ausgleichenden Effekte berücksichtigt: der Ionenbeschuss verursacht die Bildung von Frenkel-Paaren, die zu einer Abnahme des Elastizitätsmoduls führt, während die Entwicklung der intrinsischen Druckspannung zu einer Zunahme des Elastizitätsmoduls führt. Die Veränderung von Spannungen und den mechanischen Eigenschaften der Dünnschicht lässt sich somit auf Grundlage eines komplexen Zusammenspiels von Ionenbeschuss-induzierter Defektbildung und -vernichtung verstehen. Im zweiten Teil wurde das entwickelte Modell auf isostrukturelle (Ti,Al)N-Dünnschichten ausgeweitet, die durch zwei verschiedene physikalische Gasphasenabscheidungsverfahren, nämlich HPPMS und die kathodische Lichtbogenverdampfung (cathodic arc deposition, CAD), hergestellt wurden. Hierzu wird die Ionenbeschuss-induzierte Veränderung der Struktur, der elastischen Eigenschaften und der thermischen Stabilität von metastabilen kubischen (Ti,Al)N-Dünnschichten systematisch mittels Experimenten und DFT-Simulationen untersucht. Während die mit HPPMS abgeschiedenen Dünnschichten bei E_k > 105 eV eine zufällige Orientierung aufweisen, wird bei den CAD-Dünnschichten bei E_k > 144 eV eine Veränderung in Richtung (111)-Orientierung beobachtet. Der gemessene Ionenenergiefluss an der wachsenden Filmoberfläche ist im Falle von CAD 3,3-mal größer als bei HPPMS. Daraus wird geschlossen, dass die Bildung der starken (111)-Textur in CAD-Dünnschichten durch die Ionenfluss- und Ionenenergie-induzierte Minimierung der Dehnungsenergie in defektem kubischem (Ti,Al)N verursacht wird. Der ionenenergieabhängige Elastizitätsmodul kann durch die Berücksichtigung der ionenenergie- und orientierungsabhängigen Bildung von Punktdefekten aus DFT-Vorhersagen rationalisiert werden: Ähnlich wie bei dem zuvor untersuchten (V,Al)N, führen die ausgleichenden Effekte der durch Ionenbeschuss-induzierten Frenkel-Defekt-Bildung und die gleichzeitige Veränderung der Druckeigenspannung zu einer scheinbaren Unabhängigkeit des Elastizitätsmoduls von E_k für HPPMS-Dünnschichten ohne Vorzugsorientierung. Die ionenenergieabhängige Verringerung des Elastizitätsmoduls um ~18% für die CAD-Dünnschichten hingegen lässt sich erklären, wenn man die höhere Frenkel-Paar-Konzentration für die (111)-Orientierung berücksichtigt. Mittels DFT-Simulationen wurde eine 34% höhere Frenkel-Paar-Konzentration im experimentell beobachteten (111)-orientierten (Ti,Al)N bei einem Ionenbeschuss mit E_k = 182 eV beobachtet, im Vergleich zur (200)-Konfiguration bei einer ähnlichen E_k-Größe. Darüber hinaus wird die Auswirkung der Frenkel-Paar-Konzentration auf die thermische Stabilität von metastabilem (Ti,Al)N mittels dynamische Differenzkalorimetrie (differential scanning calorimetry, DSC) für beide Abscheidungsverfahren untersucht: Die durch Ionenbeschuss-induzierte Erhöhung der Frenkel-Paar-Konzentration verzögert die Wurtzit-Bildungstemperatur um bis zu 206 °C. Im dritten und letzten Teil wird die elastische Reaktion von binären kubischen Übergangsmetallnitriden (c-TMNs) hinsichtlich der Besetzung des nichtmetallischen Untergitters untersucht. Motiviert durch die häufig berichteten Abweichungen von der Stöchiometrie in c-TMNs wird hier die Auswirkung der N-Leerstellenkonzentration auf die elastischen Eigenschaften von TiNx, ZrNx, VNx, NbNx und MoNx (0,72 ≤ x ≤ 1,00) systematisch mittels DFT untersucht. Die theoretischen Vorhersagen werden für VNx (0,75 ≤ x ≤ 0,96) experimentell validiert. Die DFT-Ergebnisse weisen eindeutig auf ein unterschiedliches elastisches Verhalten der Nitride der Hauptgruppen IV, V und VI in Bezug auf die N-Leerstellenkonzentration hin. Während TiNx und ZrNx eine Leerstellen-induzierte Verringerung des Elastizitätsmoduls aufweisen, wird für VNx und NbNx eine Erhöhung des Elastizitätsmoduls festgestellt. Diese Trends können durch die Analyse der Bindungseigenschaften der binären Verbindungen erklärt werden. Die Berechnungen der integrierten Crystal Orbital Hamilton Population (ICOHP) deuten auf eine geringere Bindungsstärke von Ti-N Bindungen für TiNx hin, die auf die Präsenz von N-Leerstellen zurückzuführen ist. Allerdings führt die Präsenz von N-Leerstellen in VNx zu einer höheren Bindungsstärke von V-N Bindungen, was wiederum zu einem anomalen Anstieg des Elastizitätsmoduls von VNx führt. Um die Veränderung des Elastizitätsmoduls in Abhängigkeit von der N-Leerstellenkonzentration experimentell zu bestätigen, wurden nahezu einkristalline VNx-Dünnschichten von hoher kristalliner Qualität auf einkristallinen MgO(001)-Substraten abgeschieden. Die Verringerung des N-Gehalts in VNx/MgO(001) von x = 0,96 ± 0,05 auf 0,75 ± 0,04 führt zu einer Abnahme des relaxierten Gitterparameters a0 von 4,128 Å auf 4,096 Å. Diese Verringerung des Gitterparameters geht mit einem anomalen Anstieg des Elastizitätsmoduls um 11% einher. Diese Ergebnisse stimmen mit den theoretisch berechneten Elastizitätsdaten für VNx überein, die auf eine durch N-Leerstellen-induzierte Bindungsverstärkung zurückgeführt werden. Die Ergebnisse dieser Arbeit ermöglichen das Design und die Herstellung von Hartschichten, indem sie die Wechselwirkungen zwischen Plasma und Oberfläche auf atomistischer Ebene berücksichtigen. Die Kombination von DFT-Simulationen und Wachstumsexperimenten ermöglichte es uns, die Rolle der Variation der Plasmabedingungen auf die Punktdefektstruktur und ihre Auswirkungen auf die mechanischen und thermischen Eigenschaften von Nitrid-Dünnschichten zu verstehen.
Einrichtungen
- Fachgruppe für Materialwissenschaft und Werkstofftechnik [520000]
- Lehrstuhl für Werkstoffchemie [521110]
Identifikationsnummern
- DOI: 10.18154/RWTH-2023-06577
- RWTH PUBLICATIONS: RWTH-2023-06577